Im Belle II-Experiment werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, zur Kollision gebracht. Dabei entstehen B-Mesonen, Paare aus einem Quark und einem Anti-Quark. In früheren Experimenten (Belle und BaBar) konnten Wissenschaftler beobachten, dass der Zerfall von B-Mesonen und Anti-B-Mesonen unterschiedlich verläuft (1).
Dieses Phänomen bezeichnet man als CP-Verletzung (2). Sie bietet einen Anhaltspunkt für die Frage, warum das Universum kaum Antimaterie enthält – obwohl nach dem Urknall beide Materieformen zu gleichen Teilen vorhanden gewesen sein müssen.
Findet Belle II neue Physik?
„Allerdings ist die beobachtete Asymmetrie zu klein, um das Fehlen der Antimaterie zu erklären“, sagt Hans-Günther Moser vom Max-Planck-Institut für Physik. „Wir suchen daher nach einem stärkeren, bisher unbekannten Mechanismus, der die Grenzen des heute gültigen ‚Standardmodells der Teilchenphysik‘ sprengen würde. Um diese neue Physik zu finden und statistisch zu belegen, müssen Physiker allerdings viel mehr Daten als bisher erheben und auswerten.“ „Bisherige Messungen haben schon Hinweise darauf gegeben, wo wir diese Belege finden könnten. Bald wissen wir, ob sich diese Hinweise bestätigen“, ergänzt Thomas Kuhr von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Um diese Aufgabe zu bewältigen, wurden der frühere KEK-Beschleuniger und Belle – Laufzeit 1999 bis 2010 – komplett modernisiert. Sie firmieren jetzt unter den Namen Belle II und SuperKEKB. Die wesentliche Neuerung ist die 40fach gesteigerte Luminosität, die Rate an Teilchenkollisionen pro Flächeneinheit.
Dafür haben Wissenschaftler und Techniker den Durchmesser des Teilchenstrahls stark verkleinert; zugleich lässt sich künftig die Anzahl der eingeschossenen Teilchenpakete verdoppeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilchen tatsächlich aufeinandertreffen steigt damit erheblich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können so künftig die 50fache Datenmenge auswerten.
Hochpräzise Aufzeichnung der Teilchenspuren
Allerdings stellt das Plus an Daten hohe Anforderungen an die Analysequalität des Detektors und die Algorithmen zur Auswertung der Daten. Nach der Teilchenkollision zerfallen die B-Mesonen auf einer mittleren Flugstrecke von nur 0,1 Millimetern – die Detektoren müssen also sehr schnell und präzise arbeiten. Dafür sorgt ein hochsensibler Pixel-Vertex-Detektor, der zu großen Teilen am Max-Planck-Institut für Physik, dem Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft, der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt und gebaut wurde (3). Insgesamt hat der Detektor 8 Millionen Pixel und liefert 50.000 Bilder pro Sekunde.
„Im Detektor ist zudem eine spezielle Technologie verbaut, die sicherstellt, dass die Pixel schnell ausgelesen und damit wieder für neue Zerfälle frei werden“, erklärt Moser. „Das ist wichtig, weil neben relevanten Teilchenzerfällen auch viel Ausschuss zu erwarten ist: Pro Sekunde erwarten wir eine Million Teilchen auf einen Quadratzentimeter.“
Durch den Einsatz neuer Technologien und die höher Luminosität steigt die Menge der Daten, die aufgezeichnet und verarbeitet werden muss, drastisch an. „Wir setzen speziell entwickelte Algorithmen und moderne Big-Data-Analytics-Methoden ein, um die Daten auszuwerten“, sagt Kuhr.
Mit dem Erreichen des Messbetriebs geht ein großes Bauprojekt zu Ende.
Neun Jahre lang haben Wissenschaftler und Ingenieure am Umbau und der Modernisierung gearbeitet. Der jetzt gestartete erste Run dauert bis zum 1. Juli 2019. Nach einer kurzen Wartungspause laufen SuperKEKB und Belle II dann im Oktober 2019 wieder an.
Der Bau des Pixel-Vertex-Detektors und die Entwicklung der Algorithmen zur Datenanalyse für das Belle II-Experiment wird auch durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Die BMBF finanzierte Verbundforschungsförderung für Belle II ist eingebettet in das Rahmenprogramm „Erforschung von Universum und Materie (ErUM)“.
(1) Für diese Entdeckung erhielten die japanischen Professoren Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa 2008 den Physik-Nobelpreis.
(2) Charge/Parity, deutsch: Ladung/Parität
(3) An Entwicklung und Bau des Pixel-Vertex-Detektors waren elf Forschungseinrichtungen beteiligt: Exzellenzcluster Universe/Origins, DESY, Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München, Karlsruher Institut für Technologie, Max-Planck-Institut für Physik, Technische Universität München, Universität Bonn, Universität Gießen, Universität Göttingen und Universität Heidelberg.
Kontakt
Prof. Dr. Thomas Kuhr
Ludwig-Maximilians-Universität München / Exzellence Cluster Origins
Tel.: +49 89 35831-7174
E-Mail: Thomas.Kuhr(at)lmu.de
Dr. Hans-Günther Moser
Max-Planck-Institute for Physics
Tel.: +49 89 32354-248
E-Mail: moser(at)mpp.mpg.de