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Sternentheater: Glanz und Drama rund um die Sonne

Was haben wir Menschen mit den Sternen gemeinsam? Menschen werden geboren, leben und sterben eines Tages – Sterne ebenso. Aber bei Sternen passiert alles über kosmologisch lange Zeitskalen und mit sehr viel mehr Glanz und Drama. Ein internationales Forschungsteam, unter Beteiligung des Exzellenzclusters ORIGINS, hat nun die Geschichte der interstellaren Nachbarschaft unserer Sonne rekonstruiert und gezeigt, wie genau Sternentstehung und Sterntod miteinander zusammenhängen. Dabei befindet sich die Sonne im Zentrum einer stetig wachsenden, staubfreien Blase. An deren Oberfläche entstehen neue Sterne.

Künstlerische Darstellung der Lokalen Blase mit Regionen der Sternentstehung auf der Oberfläche und der Sonne im Zentrum. Bild: Leah Hustak, Space Telescope Science Institute.

Sterne bilden sich in kühlen Molekülwolken, die vor allem aus Wasserstoff und Staubkörnern bestehen. Wo die Dichte ausreichend hoch ist, können Gasklumpen unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren und sich durch Kompression erwärmen. Sterne entstehen (selten allein), wenn die Temperatur in den Gasklumpen so hoch wird, dass sich der Wasserstoff entzündet. Die der Sonne am nächsten gelegenen Molekülwolken mit jungen Sternen, die nur einige Millionen Jahre alt sind, sind jene der Scorpius-Centaurus-Assoziation in einer Distanz von etwa 400 Lichtjahren.

Sterne können, je nachdem wieviel Masse sie besitzen, Milliarden von Jahren leben, indem sie durch nukleare Fusion ein Gleichgewicht zwischen Strahlungskraft und Gravitationskraft erzeugen. Hat ein massereicher Stern all seinen Brennstoff aufgebraucht, explodiert er als Supernova und schleudert dabei mehrere Sonnenmassen an Material von sich. Eine Schockwelle breitet sich im interstellaren Raum aus, die umliegendes Gas und Staub mit sich trägt.

Die Lokale Blase

Die Erde und unsere Sonne sitzen in einem leergefegten Hohlraum aus heißem, interstellarem Gas von außergewöhnlich geringer Dichte, der sogenannten Lokalen Blase. Was hat genau das mit Sternentstehung und Supernovae zu tun? Unter der Leitung von Catherine Zucker vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics kartierte das Forschungsteam die Bewegung junger Sterne in den sonnennächsten Sternentstehungsgebieten und erstellte damit zum ersten Mal eine genaue dreidimensionale Karte unserer galaktischen Umgebung. Die Astronominnen und Astronomen fanden mit Hilfe von neuen Daten des Weltraumteleskops Gaia heraus, dass fast alle Sternentstehungswolken, die in einem Abstand von weniger als 500 Lichtjahren von der Sonne liegen, sich auf der Oberfläche der Lokalen Blase befinden. „Es ist erstaunlich, am Ort der ursprünglichen Sternentstehung bilden sich nach einer Supernova zunächst keine neuen Sterne mehr“, erklärt Prof. Andreas Burkert, Forscher am Exzellenzcluster ORIGINS und Mitverfasser des im Wissenschaftsmagazin Nature erschienenen Artikels. „Die Kavität mit geringer Teilchendichte, in der sich die Erde und die Sonne heute befinden, hat einen Durchmesser von etwa 1000 Lichtjahren und ist von einem Rand aus dichtem Gas umgeben. Und genau dieser Rand ist es, wo sich dann die nächsten Sternentstehungsgebiete befinden“, führt Burkert weiter aus.

Die Bewegung der jungen Sterne ergab zudem, dass die Lokale Blase eine expandierende Struktur ist. Sie entstand vor 14 Millionen Jahren durch eine Reihe von etwa 15 Supernova-Explosionen, die während einigen Jahrmillionen Schockwellen produzierten. Gas und Staub wurden weggefegt und lagerten sich an der Oberfläche der Lokalen Blase ab. Dies löste mehrere Episoden der Sternentstehung aus, die ungefähr vor zwei, sechs und zehn Millionen Jahren stattfanden.

Sternenstaub auf dem Meeresgrund

Die Tatsache, dass die Sonne sich heute ungefähr im Zentrum der Lokalen Blase befindet, ist ein Zufall. Wir wissen nicht, wo genau sich die stellare Kinderstube unserer Sonne vor 4,6 Milliarden Jahren befand. Wir können jedoch die Bewegung der Sonne um das galaktische Zentrum 14 Millionen Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen. Daraus wird ersichtlich, dass die Sonne weit weg von der Lokalen Blase war, als diese entstand. Vor etwa fünf Millionen Jahren trat die Sonne auf ihrer Reise durch das Milchstraßensystem in die Lokale Blase ein, und in ein paar Millionen Jahren wird sie sie wieder verlassen. Statistisch gesehen, muss es in den Spiralarmen unserer Galaxie tausende solcher Blasen geben. Die Sonne ist also nur ein Zuschauer, der von einer Blase zur nächsten reist.

Als die Erde mit der Sonne vor gut fünf Millionen Jahren in die Lokale Blase eintrat, bevölkerten gerade die ersten Menschenaffen den Planeten. Unwahrscheinlich, dass sie etwas davon gemerkt haben, gleichwohl hat das Ereignis aber Spuren hinterlassen. Auf der Erde gibt es keinen natürlichen Prozess, der das radioaktive Eisen-60 Isotop erzeugt. Dennoch wird es in Tiefseesedimenten gefunden. Das instabile Element, das eine Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren besitzt, stammt daher von interstellaren Staubpartikeln, die auf der Erde landeten. Die Datierung der Sedimentschichten durch Zählung von 60Fe-Atomen zeigt, dass die Erde vor wenigen Millionen Jahren Supernova-Auswürfen durchquert haben muss. (os)

Interaktive 3D-Visualisierung der Lokalen Blase (Zucker et al, 2022)

 

Publikationen:

Zucker, C., Goodman, A.A., Alves, J. et al. Star formation near the Sun is driven by expansion of the Local Bubble. Nature (2022).

Wallner, A., Feige, J., Kinoshita, N. et al. Recent near-Earth supernovae probed by global deposition of interstellar radioactive 60Fe. Nature (2016)

 

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Burkert
Excellence Cluster ORIGINS / Ludwig-Maximililans-Universität München
E-Mail: burkert(at)usm.uni-muenchen.de