Eine grundlegende Frage zur Entstehung des Lebens auf der frühen Erde ist, wie sich vor mehr als vier Milliarden Jahren die ersten DNA-Moleküle vervielfältigten und weiterentwickelten. Ehe die ersten Zellen oder eine andere Form eines Kompartiments, eines abgegrenzten Reaktionsraums also, entstanden, waren die DNA- und RNA-Moleküle wahrscheinlich in Wassertümpeln oder in mit Wasser und Gas gefüllten Gesteinsporen gelöst. Es waren die allgegenwärtigen Bedingungen auf der frühen Erde. Die hohe vulkanische Aktivität und die hohen Temperaturen waren für die damals extrem CO2-reiche Atmosphäre verantwortlich. Die Konzentration des Kohlendioxids war etwa 25.000-mal höher als heute.
Genau solche Bedingungen haben LMU-Biophysiker und ORIGINS PI Prof. Dieter Braun und seine Forschungsgruppe nachgestellt: Sie entwarfen sogenannte „thermal traps“, eine Art künstlicher Wärmefallen, die millimetergroße, mit Wasser und gasförmigem CO2 gefüllte Gesteinsporen nachahmen. Brauns Team untersuchte dann gezielt die Replikation und Evolution kurzer DNA-Moleküle unter möglichst plausiblen Bedingungen, wie sie einst auf der jungen Erde herrschten.
Die Studie zeigt, wie lokale Temperaturunterschiede Wasserkreisläufe in kleinen Gesteinsporen in Gang setzen können. Verdunstet und kondensiert anschließend Wasser, entstehen kleine Tautröpfchen. Diese werden in der CO2-reichen Atmosphäre säurehaltig. Die Forschenden betrachteten die Tautröpfchen als membranlose Kompartimente, die DNA enthalten und konzentrieren. Kondensieren nun die Tröpfchen periodisch und verdunsten wieder, zwingt dies die DNA-Moleküle in Zyklen mit neutralem und saurem pH-Wert, mit hohem und niedrigem Salzgehalt und mit feuchtem und trockenem Zustand.
Solche Schwankungen haben einen starken Einfluss auf die Replikation kurzer DNA-Stränge. „Wir haben herausgefunden, dass Tautröpfchen aus saurem Wasser in einer urzeitlichen CO2-Atmosphäre die Replikation von DNA-Molekülen fördern könnten“, sagt Alan Ianeselli, Doktorand und Erstautor der Forschungsarbeit. „Über Salz, pH-Werte und Nass-Trocken-Zyklen begünstigte der Tau DNA-Mutationen und Rekombinationen. Dabei entstanden DNA-Stränge, die bis zu 20-mal länger waren als die ursprünglichen.“
Während der Replikationszyklen in den Tautropfen mutieren die anfänglich kurzen DNA-Moleküle stark und werden zunehmend länger, angetrieben durch die besonderen Eigenschaften der millimetergroßen Wasserkreisläufe. Die physikalischen Besonderheiten des Taus führen auch zu einem Selektionsprozess in den DNA-Strängen. Es entstehen DNA-Moleküle, die besonders viele spezifische Sequenz-Fingerabdrücke enthalten.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Tautropfen die ersten ursprünglichen Kompartimente gewesen sein könnten, die die Replikation und Evolution von DNA-Molekülen hätten beherbergen können. Braun und sein Team wollen nun die Auswirkungen solcher Tau-Zyklen auf eine Vielzahl präbiotischer chemischer Reaktionen untersuchen, von der präbiotischen Synthese von Nukleotiden bis zum Aufbau großer RNA-Komplexe, die zur Selbstreplikation fähig sind.
Publikation:
Alan Ianeselli, M. Atienza, P. Kudella, C. Mast, U. Gerland, Dieter Braun (2022), Water cycles in a Hadean CO2 atmosphere drive the evolution of long DNA, Nature Physics
Kontakt:
Prof. Dr. Dieter Braun
Excellenzcluster ORIGINS / Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: Dieter.Braun(at)physik.uni-muenchen.de