Neutrinos werden im Universum billionenfach in einer Vielzahl von hochenergetischen Ereignissen produziert. Danach durchqueren sie das Weltall ohne Spuren zu hinterlassen oder von ihrer Bahn abzuweichen. Auf diese Weise zeugen kosmische Neutrinos von den gewaltigen Vorgängen am Rande supermassiver schwarzer Löcher – und anderer, unsere Vorstellungskraft sprengenden Phänomene.
P-ONE soll kosmischen Neutrinos ihre Geheimnisse entlocken
Um die Botschaften kosmischer Neutrinos zu entschlüsseln, braucht es riesige Teleskope: Volumen von mehreren Kubikkilometern Eis oder Wasser, instrumentiert mit Tausenden von Lichtsensoren. Diese erfassen die Lichtspur, welche durch die Kollision eines Neutrinos mit einem Wassermolekül entsteht. Dabei wird mithilfe detaillierter Simulationen der Weg des Neutrinos rekonstruiert, um die Energie und Richtung des einfallenden Teilchens zu ermitteln, erklärt Prof. Tyce DeYoung von der Michigan State University am Rande des P-ONE Collaboration Meetings im Mai 2022 in Garching. Er ist begeistert von der Winkelauflösung, die P-ONE in seinen Simulationen zeigt, und die eine viel präzisere Bahnrekonstruktion ermöglicht als bisher.
Prof. Elisa Resconi hat kürzlich eine Initiative zur Entwicklung eines neuen Observatoriums für kosmische Neutrinos im Pazifischen Ozean gestartet, das Pacific Ocean Neutrino Experiment (kurz: P-ONE). Der Prototyp einer 1000 Meter langen, am Meeresgrund befestigten Messleine mit 20 optischen Elementen wird derzeit mit maßgeblicher Unterstützung von ORIGINS an der Technischen Universität München entwickelt. Im Rahmen des ERC-Projekts NEUTRINOSHOT soll danach vor der Kanadischen Küste in 2,6 Kilometer Meerestiefe das erste Detektorsegment mit drei dieser Messtrossen aufgestellt werden. Es soll die Funktionsweise von P-ONE demonstrieren und die ersten Neutrinos messen.
Kosmos unter Wasser
Christian Spannfellner, ORIGINS-Doktorand in der Resconi-Gruppe, ist an der Entwicklung der optischen Module von P-ONE beteiligt. Wichtig sei es vor allem, sagt er, deren Design an das Tiefseemilieu anzupassen und sie vor Korrosion durch das Salzwasser zu schützen. Die Module seien aber so gebaut, dass es mindestens zwei alternative Wege gebe, die raren Leuchtsignale zu registrieren, falls irgendwo ein Problem auftaucht, ergänzt Dr. Robert Halliday, ebenfalls von der Michigan State University, der für die Datenerfassung zuständig ist.
Bislang ist der Neutrino-Detektor IceCube am Südpol, an dem Elisa Resconi beteiligt ist, das einzige Teleskop weltweit, das groß genug ist, um kosmischen Neutrinos ihre Geheimnisse zu entlocken. Doch um die hochenergetischen Ereignisse im fernen Universum wirklich zu verstehen und genau zu lokalisieren, sind weitere Neutrino-Observatorien und ein globales Neutrino-Netzwerk nötig. Volumenstarke Unterwasser-Detektoren wie P-ONE können aber nicht nur die Lichtspuren von Neutrinos genau verfolgen. Gemessen wird auch das biolumineszente Aufleuchten von Tiefseeorganismen. Ein Störsignal in den Daten der Astronomen, aber ein Tor zu einer unerforschten Welt für Biologen.
Kontakt:
Prof. Elisa Resconi
Physik Department der Technische Universität München
E-Mail: elisa.resconi(at)tum.de