Sie suchen nach neuen Elementarteilchen. Haben Sie bereits welche gefunden?
Ein großer Erfolg war natürlich die Entdeckung des Higgs Bosons, für dessen theoretische Vorhersage François Englert und Peter Higgs den Nobelpreis erhalten haben. Ich war damals ein Teil der Forschungsgruppen am CERN, die an dem Nachweis des Teilchens beteiligt waren.
Haben Sie sich schon immer für Physik interessiert?
Mein Vater war Biophysiker und daher gab es schon früh Berührungspunkte mit der Physik. Mich interessiert, welche grundlegenden Mechanismen die Welt zusammenhalten. Hier gibt es zwei Fachbereiche, die das untersuchen: einmal die Astrophysik, die sich mit großen Strukturen also zum Beispiel den Galaxien beschäftigt, und die Teilchenphysik, bei der es um die kleinsten Bausteine geht. Ich habe mich für die Teilchenphysik entschieden.
Wie genau sieht Ihre Arbeit aus?
Wir beschleunigen Teilchen und lassen sie kollidieren. Durch Beobachtung dieser Kollisionen lernen wir etwas über die Bausteine der Materie. Mit dem Large Hadron Collider am CERN betreiben wir den weltgrößten Teilchenbeschleuniger. Zur Vermessung der Kollisionen haben wir hochkomplexe Detektoren gebaut, die etwa die Größe eines 5-stöckigen Hauses haben. Es gibt vier dieser Detektoren, ich persönlich arbeite mit dem ATLAS-Detektor. Dieses Instrument generiert rund 100 Terabyte an Daten pro Sekunde. Meine Arbeit richtet sich auf die Entwicklung von Algorithmen, um mit dieser Datenflut umgehen zu können. Besonders die neuen Methoden im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind hier wichtig.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit an der TUM?
Ich bin weiterhin Teil der internationalen ATLAS-Kollaboration am CERN. Es sind aber einige Aufgaben dazugekommen. Ich freue mich vor allem auf meine Lehraufgaben und den Austausch mit jungen Wissenschaftler:innen. Da nicht nur die Teilchenphysik mit sehr großen Datensätzen arbeiten muss, koordiniere ich als Teil des Exzellenzclusters ORIGINS das “ORIGINS Data Science Lab”. Es hat das Ziel, Grundlagenforschung aus der Astro-, Teilchen- und Biophysik zu optimal verbinden. In Zeiten der KI ist die Kernfrage: Wieviel kann man den Algorithmen überlassen, und wieviel Physik müssen die Forschenden mit einbringen?
Wie relevant ist die Suche nach Elementarteilchen für die Gesellschaft?
Grundlagenforschung findet oft einen Weg in unseren Alltag. Ein gutes Beispiel dafür ist das GPS, eine Anwendung der Relativitätstheorie. Auch wird neue Technologie, die für Forschungsprojekte entwickelt wird, später oft von der breiten Öffentlichkeit genutzt. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das World Wide Web. Es wurde ursprünglich entwickelt, um Informationen zwischen Wissenschaftler:innen auszutauschen.
Dann gibt es noch einen anderen Aspekt. Das Higgs-Teilchen hat eine bestimmte Masse. Und nur, weil es diese Masse hat, können Atomkerne existieren. Gäbe es keine Atomkerne, gäbe es auch keine Menschen. Und eine große Frage, die man sich stellen kann, ist, warum dieses Teilchen genau die Masse hat, die das Leben ermöglicht. Das ist natürlich eine recht philosophische Frage, da wir sie nur stellen können, weil wir existieren.
Zur Person:
Nach seinem Studium an der Humboldt-Universität promovierte Lukas Heinrich an der New York University und forschte im Anschluss am Forschungszentrum CERN. Seit März dieses Jahres ist er Professor für Data Science in Physik an der Technischen Universität München. Mit dem Wechsel an die TUM hat er außerdem die Koordination des ORIGINS „Data Science“ Labors übernommen.
Kontakt:
Prof. Dr. Lukas Heinrich
Technische Universität München / Exzellenzcluster ORIGINS
Tel: +49 89 35831 7141
E-Mail: l.heinrich(at)tum.de