Simulationen mit Supercomputern zeigen, dass die Architektur des Universums auf den größten Skalen – wo Galaxien bloß noch Punkte sind – eine Art Wabenstruktur hat. Dunkle Materie, Gas und Galaxien verteilen sich über ein riesiges Netzwerk aus Filamenten, Wänden und Knotenpunkten. Dazwischen befinden sich große Hohlräume, also Bereiche, die vergleichsweise leer sind. Die fadenförmigen Filamente sind die größten bekannten Strukturen im Weltall. Sie bestehen in erster Linie aus diffusem Gas geringer Dichte und einigen wenigen Galaxien. Sie erscheinen in Simulationen wie kosmische Autobahnen zwischen den Knotenpunkten aus Galaxienhaufen: Gas kann in sie hineinströmen und Galaxien können sich in ihnen bewegen. Ein Team unter Leitung von Maryam Arabsalmani, Vera-Rubin-Fellow am ORIGINS Cluster, hat nun ein überraschend schmales und gerades Filament aus acht Galaxien entdeckt und darin riesige dunkle Gaswolken nachgewiesen. Die Arbeit wurde im Fachjournal Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
Dem Rückgrat des Universums auf der Spur
Beobachtungen der Galaxienverteilung im nahen Universum zeigen eine große Anzahl an Filamenten mit Längen zwischen zehn Millionen und mehr als 300 Millionen Lichtjahren. Die Entdeckung der acht Galaxien, die sich bei einer Rotverschiebung von z = 0.037 in einer ungewöhnlich schmalen, schnurgeraden Reihe anordnen, war ein glücklicher Zufall. Das Team analysierte ursprünglich die seltsamen Eigenschaften einer Spiralgalaxie mit schmetterlingsförmiger Gasverteilung und stellte dabei fest, dass sie Teil eines Filaments aus acht aufeinanderfolgenden Galaxien ist.
Mit Hilfe des Very Large Array (VLA), einer Anordnung von 28 Radioteleskopen in New Mexico (USA), konnten die Forschenden anhand von Messungen der 21-cm-Wasserstofflinie zudem kaltes Gas in einem Segment des Filaments identifizieren. „Es handelt sich dabei um kolossale dunkle Gaswolken mit mehreren Milliarden Sonnenmassen. Das sind Gasmassen wie sie in großen Galaxien vorkommen, die aktiv Sterne bilden“, berichtet Maryam Arabsalmani. Optische Folgebeobachtungen mit dem MegaCAM-Instrument am Canada-France-Hawaii (CFH) Telescope auf dem Mauna Kea in Hawaii zeigten jedoch keine Anzeichen dafür, dass diese Gaswolken je Sterne gebildet haben. Diese massiven Gaswolken ohne Sterne befinden sich vermutlich in Halos aus dunkler Materie entlang des Filaments. Die Existenz von dunklen Gaswolken innerhalb von Filamenten, wie sie von Simulationen vorhergesagt wurden, konnte somit erstmals in direkten Beobachtungen nachgewiesen werden.
Selten und seltsam
Mit einer Länge von rund 16 Millionen Lichtjahren und einem Durchmesser von wenigen hunderttausend Lichtjahren ist das neu entdeckte Filament eines der kürzesten und schmalsten bisher erfassten Filamente. Zudem beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem VLA ein Segment des Filaments und fanden darin, im Vergleich zu ähnlichen Himmelsvolumen, eine überdurchschnittlich hohe Anzahl massereicher, dunkler Wasserstoffgaswolken. Die untypische Geometrie und Morphologie des Filaments ist aber dennoch mit dem heutigen theoretischen Verständnis des Universums vereinbar. „Wir haben die Millennium TNG Simulation des Universums verwendet und festgestellt, dass solche Systeme, obwohl sie sehr ungewöhnlich und selten sind, von theoretischen Modellen vorhergesagt werden“, erklärt Koautor Volker Springel, ORIGINS-Wissenschaftler und Direktor des Max-Planck-Instituts für Astrophysik.
Dass ein Filament mit solch ungewöhnlichen Eigenschaften eine Reihe faszinierender Objekte aufweist, ist kein Zufall, vermutet das Forschungsteam. So könnte etwa eine kürzlich erfolgte Passage einer Filamentwolke durch die Spiralgalaxie mit der schmetterlingsförmigen Gasverteilung die Diskrepanz zwischen Stern- und Gasposition erklären. Neue Beobachtungen in Verbindung mit numerischen Simulationen sollen nun klären, ob und wie die beobachteten Eigentümlichkeiten mit den besonderen geometrischen Eigenschaften dieses ungewöhnlichen Filaments zusammenhängen.
Publikation:
M. Arabsalmani, S. Roychowdhury, B. Schneider, V. Springel et al, „Pearls on a string: Dark and bright galaxies on a strikingly straight and narrow filament“, ApJL 2025
Kontakt:
Dr. Maryam Arabsalmani, ORIGINS Vera Rubin Fellow
ORIGINS Exzellenzcluster / Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: maryam.arabsalmani(at)origins-cluster.de
Dr. Sambit Roychowdhury
USM / Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: sambit.roychowdhury(at)physik.lmu.de