Sterne, die um ein Vielfaches massereicher sind als die Sonne, beenden ihr Leben in gewaltigen und leuchtstarken Explosionen, sogenannten Supernovae. Beim Kollaps des dichten metallischen Kerns des massereichen Sterns wird eine große Menge Energie freigesetzt, die hauptsächlich in Form von Neutrinos entweicht, während die äußeren Schichten des Sterns ins Weltall geschleudert werden. Dieses Material kann ein Vielfaches der Masse der Sonne betragen und wird mit Geschwindigkeiten von Hunderten bis Tausenden von Kilometern pro Sekunde ausgestoßen. Dies führt zu großskaligen Asymmetrien der ausgestoßenen Materie, die wir auch in den Überresten der Supernova-Explosionen beobachten.
Diese Asymmetrien und Auswürfe von Materie wirken sich direkt auf den sehr dichten Überrest im Kern aus: der neu entstandene Neutronenstern erfährt einen Rückstoß - einen Geburtskick - der seine Geschwindigkeit abrupt ändern kann. Für Neutronensterne gibt es zahlreiche Belege für solche Kicks, da wir ihre Bewegung mit hohen Geschwindigkeiten in der gesamten Milchstraße beobachten. Bei den massereichsten kompakten Objekten, den schwarzen Löchern, sind diese Geburtskicks jedoch nicht gut verstanden. Solche stellaren schwarzen Löcher entstehen beim Kollaps massereicher Sterne, insbesondere wenn keine Explosion zustande kommt und die einfallende Materie in sich kollabiert.
Die jüngste Entdeckung „verschwindender“ Sterne lässt vermuten, dass ein großer Teil der kollabierenden massereichen Sterne stattdessen schwarze Löcher ohne begleitende Explosion bildet, die wir im Gegensatz zu den hellen Supernovae nicht beobachten können. Es ist jedoch unklar, wie viel Masse diese Sterne bei der Entstehung von schwarzen Löchern verlieren, oder wie groß ihre ursprünglichen Kicks sind. Wenn der massereiche Stern direkt zu einem schwarzen Loch kollabiert, wird keine baryonische Materie herausgeschleudert, und die Energie geht überwiegend in Form von Neutrinos verloren.
Das Team untersuchte das vollständige Kollaps-Szenario für das Doppelsternsystem VFTS 243, bei dem ein Stern, zehnmal massereicher als die Sonne, seinen Lebenszyklus durch eine Implosion beendete. Mit modernsten Modellen des Sternkollapses, die von der Gruppe um ORIGINS Wissenschaftler Prof. H.-Thomas Janka am MPA entwickelt wurden, berechneten sie die Auswirkungen auf die Umlaufbahn eines Doppelsternsystems während der Entstehung des schwarzen Lochs. Im Szenario des vollständigen Kollapses wird die enorme gravitative Bindungsenergie, die bei der Entstehung des schwarzen Lochs freigesetzt wird, ausschließlich von den schwach wechselwirkenden, neutralen und leichten Neutrinos fortgetragen. Das im Doppelsternsystem VFTS 243 beobachtete schwarze Loch erlaubte zum ersten Mal die Schlussfolgerung, dass Neutrinos nahezu gleichmäßig in alle Richtungen emittiert werden, wenn der massereiche Vorläufer kollabiert und das schwarze Loch entsteht.
Pressemeldung MPA
Publikation
A. Vigna-Gómez, R. Willcox, I. Tamborra, et al. “Constraints on neutrino natal kicks from black-hole binary VFTS 243”, Physical Review Letters, 2024
Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Thomas Janka
Max-Planck-Institut für Astrophysik / Exzellenzcluster ORIGINS
E-Mail: thj@mpa-garching.mpg.de