James-Webb-Teleskop enthüllt weit entfernte Galaxien

Dank des ersten wissenschaftlichen Bildes, das diesen Monat vom James Webb Space Telescope (JWST) veröffentlicht wurde, konnte ein internationales Team von Forschenden unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) ein verbessertes Modell für die Massenverteilung des Galaxienhaufens SMACS J0723.3−7327 erstellen. Als Gravitationslinse vervielfacht und vergrößert dieser Galaxienhaufen Bilder von Hintergrundgalaxien. Eine Familie solcher Mehrfachbilder gehört zu einer Galaxie, dessen Entfernung sich mithilfe des neuen Modells auf 13 Milliarden Lichtjahren schätzen lässt. Wenn dies bestätigt wird, unterstreicht dies die Bedeutung genauer Gravitationslinsenmodelle für die Identifizierung entfernter Galaxien und ihre detaillierte Untersuchung.

Das erste Bild des James-Webb-Space-Teleskops vom Galaxienhaufen SMACS J0723 enthüllt stark gelinste Hintergrundgalaxien in beispiellosen Einzelheiten. Der weiße Balken unten zeigt die Größenskala: 50 Bogensekunden entsprechen ungefähr der maximalen Größe des Jupiters von der Erde aus.

Das erste Bild des James-Webb-Space-Teleskops vom Galaxienhaufen SMACS J0723 enthüllt stark gelinste Hintergrundgalaxien in beispiellosen Einzelheiten. Der weiße Balken unten zeigt die Größenskala: 50 Bogensekunden entsprechen ungefähr der maximalen Größe des Jupiters von der Erde aus. Bild: NASA, ESA, CSA and STScI

In diesem Bild sind die Mehrfahrbilder der Hintergrundbilder nummeriert. Dabei sind bereits bekannte Systeme cyan markiert, neue Mehrfach-Systeme grün. Die vergrößerten Bilder zeigen eine weit entfernte Galaxie mit strukturellen Auffälligkeiten.

In diesem Bild sind die Mehrfahrbilder der Hintergrundbilder nummeriert. Dabei sind bereits bekannte Systeme cyan markiert, neue Mehrfach-Systeme grün. Die vergrößerten Bilder zeigen eine weit entfernte Galaxie mit strukturellen Auffälligkeiten (grüne Pfeile). Bild: NASA, ESA, CSA and STScI (Markierungen: MPA)

Das erste vom James Webb Space Telescope (JWST) veröffentlichte wissenschaftliche Bild zeigt den Galaxienhaufen SMACS J0723.3−7327. Speziell Galaxienhaufen können als Gravitationslinsen fungieren und das Licht von Hintergrundgalaxien verstärken und mehrere Bilder von diesen erzeugen. Vor JWST waren hinter SMACS J0723.3−7327 insgesamt 19 Mehrfachbilder von sechs Hintergrundquellen bekannt. Die JWST-Daten enthüllten nun 27 zusätzliche Mehrfachbilder von zehn weiteren Objekten.

Uralte Galaxie entdeckt

Die Forschenden verwendeten zunächst Daten des Hubble Space Telescopes (HST) und des Multi Unit Spectroscopic Explorers (MUSE), um ein „Pre-JWST“-Linsenmodell zu erstellen, und verfeinerten es dann mit der neu verfügbaren JWST-Nahinfrarot-Bildgebung. Von den neu entdeckten, gelinsten Objekten gab es bisher noch keine Entfernungsschätzungen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwendeten ihr neues Modell für die Massenverteilung, um die Entfernung dieser Linsengalaxien zu schätzen. Ein Objekt scheint sich demnach in der erstaunlichen Entfernung von 13 Milliarden Lichtjahren zu befinden (Rotverschiebung > 7,5), das heißt sein Licht wurde in den frühen Entwicklungsstadien unseres Universums emittiert. Von dieser Galaxie entstanden drei Mehrfachbilder und ihre Gesamthelligkeit wurde um das 20-fache verstärkt.

Neues Massenmodell für Gravitationslinsen

Um solche originalen Objekte zu untersuchen, ist es jedoch von grundlegender Bedeutung, den Linseneffekt des Galaxienhaufens im Vordergrund genau zu beschreiben. „Unser genaues Massenmodell bildet die Grundlage für die Exploration von JWST-Daten“, betont Sherry Suyu, ORIGINS-PI, Forschungsgruppenleiterin am MPA, außerordentliche Professorin an der Technischen Universität München und Gastwissenschaftlerin am Institut für Astronomie und Academia Sinica Astrophysik. „Die spektakulären JWST-Bilder zeigen eine große Vielfalt stark gelinster Galaxien, die dank unseres genauen Modells jetzt im Detail untersucht werden können“, erläutert Suyu.

Das neue Modell für die Massenverteilung des Vordergrundclusters ist in der Lage, die Positionen aller Mehrfachbilder mit hoher Genauigkeit zu reproduzieren und übertrifft damit andere bestehende Massenmodelle. Für Folgestudien dieser Quellen werden die Linsenmodelle, einschließlich Vergrößerungskarten und Rotverschiebungen (also Entfernungen), die aus dem Modell geschätzt werden, öffentlich zugänglich gemacht. „Wir freuen uns sehr darüber“, fügt Suyu hinzu, „und wir warten gespannt auf zukünftige JWST-Beobachtungen anderer Galaxienhaufen mit starkem Linseneffekt. Diese werden es uns nicht nur ermöglichen, die Massenverteilungen von Galaxienhaufen besser einzugrenzen, sondern auch Galaxien mit hoher Rotverschiebung zu untersuchen.“

Pressemitteilung MPA

Publikation: "First JWST observations of a gravitational lens: Mass model of new multiple images with near-infrared observations of SMACS~J0723.3−7327", G. B. Caminha, S. H. Suyu, A.Mercurio et al, A&A Letters (2022)

 

Kontakt:
Prof. Sherry Suyu
Max-Planck-Institut für Astrophysik / Technische Universität München
E-Mail: suyu(at)mpa-garching.mpg.de