Anders als Planeten in unserem Sonnensystem umkreisen freifliegende Planeten keine Sterne, sondern treiben alleine durch das All. Das neu untersuchte Objekt, dessen Masse fünf- bis zehnmal so groß ist wie die des Jupiters, befindet sich rund 620 Lichtjahre entfernt im Sternbild Chamäleon. Der offiziell Cha 1107-7626 genannte Waisenplanet befindet sich noch in der Entstehungsphase und ernährt sich von einer ihn umgebenden Scheibe aus Gas und Staub. Dieses Material fällt ständig auf den frei schwebenden Planeten - ein Prozess, der als Akkretion bezeichnet wird. Die Forscher fanden nun jedoch heraus, dass die Akkretionsrate des jungen Planeten nicht konstant ist.
Im August 2025 verschlang der Planet etwa achtmal schneller Materie als noch wenige Monate zuvor - mit einer Rate von sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde! Das entspricht in etwa der Masse des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko oder des Doppelten des gesamten Starnberger Sees. Dies ist die stärkste jemals für ein Objekt mit planetarer Masse aufgezeichnete Akkretionsepisode. Die in Astrophysical Journal Letters veröffentlichte Entdeckung wurde mit dem X-Shooter-Spektrographen am VLT der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste gemacht. Das Team nutzte außerdem Daten des James-Webb-Weltraumteleskops, das von den US-amerikanischen, europäischen und kanadischen Raumfahrtagenturen betrieben wird, sowie Archivdaten des SINFONI-Spektrographen am VLT der ESO.
Wie frei-fliegender Planeten entstehen
Die Herkunft von Einzelgänger-Planeten bleibt eine offene Frage: Möglicherweise handelt es sich um Objekte mit der geringsten Masse, die wie Sterne entstanden sind, oder um Riesenplaneten, die aus ihren Geburtssystemen ausgestoßen wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest einige dieser Objekte einem ähnlichen Entstehungsweg wie Sterne folgen könnten, da vergleichbare Akkretionsschübe bereits bei jungen Sternen beobachtet wurden. Diese Entdeckung verwischt die Grenze zwischen Sternen und Planeten und gibt uns einen Einblick in die frühesten Entstehungsphasen von frei-fliegender Planeten.
Durch den Vergleich des Lichts vor und während des Ausbruchs sammelten die Forschenden Hinweise auf die Eigenschaften des Akkretionsprozesses. Auffällig ist, dass offenbar magnetische Aktivität eine Rolle beim massiven Einfall der Materie spielte – ein Phänomen, das bislang nur bei Sternen beobachtet wurde. Dies legt nahe, dass selbst massearme Objekte über starke Magnetfelder verfügen können, die solche Akkretionsereignisse antreiben. Zudem stellten die Forschenden fest, dass sich während des Ausbruchs auch die chemische Zusammensetzung der Scheibe um den Planeten veränderte: Während des Ereignisses konnte Wasserdampf nachgewiesen werden, zuvor jedoch nicht. Dieses Phänomen war bislang nur bei Sternen, nicht aber bei Planeten jeglicher Art bekannt.
Frei schwebende Planeten sind schwer aufzuspüren, da sie sehr lichtschwach sind. Doch das im Bau befindliche Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das unter dem weltweit dunkelsten Himmel für astronomische Beobachtungen betrieben wird, könnte das ändern. Seine leistungsstarken Instrumente und der riesige Hauptspiegel werden es ermöglichen, weitere dieser einsamen Planeten aufzuspüren und zu untersuchen – und so besser zu verstehen, inwiefern sie sternähnlich sind. Co-Autorin und ORIGINS-Astronomin Amelia Bayo (ESO) sagt dazu: „Die Vorstellung, dass ein Objekt planetarer Masse sich wie ein Stern verhalten kann, ist schlicht überwältigend - und lädt uns dazu ein, uns zu fragen, wie fremde Welten in ihren frühesten Entwicklungsphasen aussehen könnten.“
Publikation:
V. Almendros-Abad, A. Scholz, B. Damian, R. Jayawardhana, A. Bayo, L. Flagg, K. Mužić, A. Natta, P. Pinilla, L. Testi, “Discovery of an Accretion Burst in a Free-floating Planetary-mass Object”, 2025, ApJL
Kontakt:
Dr. Amelia Bayo
European Southern Observatory / Exzellenzcluster ORIGINS
E-Mail: AmeliaMaria.BayoAran(at)eso.org